Bewegungstherapie in der Psychiatrie

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Klasse 13

Autor Traumfängerin

Veröffentlicht am 05.03.2018

Schlagwörter

Sport Pädagogik

Zusammenfassung

Bewegungstherapie in der Psychiatrie In der folgenden Ausführung ist zwar häufig von Therapie die Rede Dieser Begriff kann für die gesunden Anteile aber jederzeit durch den Begriff Selbsterfahrung in mancher Hinsicht auch durch den Begriff Biographie ersetzt werden. Methoden Merkmale Arten von Bewegungstherapie in der Psychiatrie

Bewegungstherapie in der Psychiatrie
(nach: Stammer / Werle 1996)

In der folgenden Ausführung ist zwar häufig von Therapie die Rede. Dieser Begriff kann für die gesunden Anteile aber jederzeit durch den Begriff Selbsterfahrung in mancher Hinsicht auch durch den Begriff Biographie ersetzt werden.
Es geht also grundlegend darum, zu thematisieren, wie sich Körper und Psyche beeinflussen und welche Konsequenzen dies für Interventionen im Bereich Sport hat.
Damit kommt auch gleichzeitig ein integrativer Anspruch zum Ausdruck.

Nicht selten stehen verkürzte sportpsychologische Konzepte m. E. nicht zu Unrecht vor der Kritik, bloße Symptombehandlung zu sein. Nicht zufällig beginnt man sich langsam auch mit dem möglichen Schaden positiven Denkens zu beschäftigen.
Wenn wir mit Sportlern verantwortungsvoll arbeiten wollen, setzt dies eine breite und umfassende Sicht ihrer Entwicklungsbedingungen und -möglichkeiten voraus.

Gleichzeitig soll damit aber auch eine Blickrichtung geöffnet werden, die den Einsatz von Bewegung und Sport von der Therapie über den Gesundheitssport bis hin zur m.E. grundlegendsten Frage der Psychologie im Breitensport

Welcher Sport ist für wen geeignet. Denn gerade diese Frage setzt eine integrative Sicht der Lebensbedingungen von Personen, die wir betreuen, voraus.
So gesehen soll mit der vertieften Bearbeitung der Thematik Leiblichkeit ein breites Fundament gelegt werden.

Empirische Untersuchungen, wie die an der psychiatrischen Universitätsklinik in Marburg zeigen, dass Bewegungstherapie sehr wohl einen Einfluss auf das allgemeine Befinden bzw. auf das Körpererleben von Patientinnen hat. Es wurden 70 stationäre Patienten mit standardisierten Testinstrumenten zu allgemeinem Befinden und Körpererleben untersucht. Die Grundannahme ist, dass sich die Patientinnen, die an der stationären Bewegungstherapie teilnehmen, von denen, die nicht teilnehmen, unterscheiden. Die Hypothesen lauten folgendermaßen: Die Unterschiede betreffen mehr die zustandsabhängigen als die persönlichkeitsabhängigen Variablen. In den allgemeinen Befindungsaspekten zeigen sich die deutlichsten Unterschiede.

Die Patienten, die mind. fünf Mal innerhalb des Untersuchungszeitraums an der Bewegungstherapie teilnehmen, werden als Bewegungstherapie-Teilnehmer bezeichnet, die anderen als Nicht-Teilnehmer. Die Patienten verteilen sich relativ gleichmäßig auf diese beiden Gruppen. Zwei Drittel sind Frauen, ein Drittel Männer. Das Durchschnittsalter beträgt 42 Jahre. Die Hauptdiagnosegruppen sind phasische Depression (53%) und neurotische Störungen (39%); unter letzteren werden im wesentlichen neurotische, Belastungs- und Anpassungsstörungen subsummiert. Zunächst steht der Vergleich der beiden Hauptuntersuchungsgruppen - Bewegungstherapie-Teilnehmer und Nicht-Teilnehmer - im Vordergrund:

Nur die Bewegungstherapie-Teilnehmer zeigen eine deutliche Verbesserung ihrer allgemeinen Befindlichkeit im Untersuchungszeitraum. Analog ist das Ergebnis hinsichtlich der Klagen über allgemeine und körperliche Beschwerden: Auch hier verzeichnen nur die Teilnehmer eine Abnahme solcher Beschwerden im untersuchten Zeitraum. Bei den Einstellungen zum eigenen Körper nehmen nur bei den Bewegungstherapie-Teilnehmern körperbezogene Unsicherheit und Missempfinden im Therapieverlauf ab. Eine Verbesserung der Beurteilung der eigenen Attraktivität und des Selbstvertrauens ist hingegen bei allen Patienten zu beobachten. Der dritte Aspekt der Einstellungen zum eigenen Körper, die Akzentuierung des Körpers und Sensibilität, verändert sich im untersuchten Zeitraum in beiden Gruppen nicht. Die körperbezogenen Kontrollüberzeugungen bleiben im Verlauf der Untersuchung bis auf eine Ausnahme in beiden Gruppen konstant.

Hinsichtlich des Beeinträchtigungsschweregrades verzeichnen alle Patienten deutliche Verbesserungen im untersuchten Therapiezeitraum. Die Teilnehmer erweisen sich jedoch insgesamt als die weniger beeinträchtigten Patientinnen. Als Hauptergebnis sind die positiven Therapieverläufe der Bewegungstherapie-Teilnehmerinnen herauszuheben. Die eingangs formulierten Hypothesen werden weitgehend bestätigt. Die Veränderungen betreffen mehr die zustandsabhängigen als die körperspezifischen persönlichkeitsabhängigen Variablen. Gleichzeitig sind die Ergebnisse kritisch zu erörtern; sie können nicht im Sinne monofaktorieller Erklärungsansätze interpretiert werden. Die gezeigten Befunde legen vielmehr die Annahme einer Vorauswahl der Patienten nahe: Diejenigen mit der geringeren Beeinträchtigung scheinen an der Bewegungstherapie teilzunehmen und gleichzeitig im Verlauf einer vierwöchigen Therapie die besseren Therapieverläufe aufzuweisen.


4.1. Das triadische System der Psychiatrie
Einen ersten Zugang und Überblick über das breite Spektrum psychiatrischer Erkrankungen bietet das triadische System der Psychiatrie, das eine Einteilung in:
Somatogen – somatisch (körperlich) begründet
Endogen – somatischer Anteil (noch nicht) nachweisbar
Psychogen – rein/primär psychisch bedingt
(nach Sport mit Sondergruppen 1996, 371)

Therapieformen in der Psychiatrie (nach: Sport mit Sondergruppen 1996, 374ff.)


Somatische Therapiemethoden


Psychopharmaka
Einteilung: Neuroleptika, Antidepressiva, Tranquilizer


Sonstige Methoden

Elektrokrampftherapie (unter Narkose wird durch Stromanwendung ein epileptischer Krampfanfall ausgelöst -> Transmitterstimulation im Hypothalamus)
Wachtherapie (=Schlafentzug; durch periodische Anwendung und Kombination mit antidepressiven Medikamenten ist die W. zu einer Standardbehandlung bei Depressionen geworden)
Insulinbehandlung (die Provokation einer geringfügigen Hypoglykämie gilt als – selten eingesetzte – alternative Behandlungsform u.a. bei Erschöpfungszuständen und depressiven Symptomen)
Soziotherapie
Milieutherapie
Angebot unterschiedlicher kommunikationsfördernder Therapieformen
Beteiligung aller Patientinnen an gemeinsamen Aufgaben
Einbeziehung von Bezugspersonen
Stationsversammlungen
Arbeitstherapie
Institutionell abgestuftes, realitätsbezogenes Arbeitsangebot
Anforderungen orientieren sich an individuellem Leistungsvermögen und Selbständigkeit
Erprobung von Durchhaltevermögen und Arbeitsgenauigkeit
Beschäftigungstherapie / Ergotherapie
Musisch-kreative Orientierung zur Anregung schöpferischer und gestalterischer Kräfte
Geringe Leistungs- und Produktorientierung
Breites Angebot an kunsthandwerklichen Arbeiten
Psychotherapie


Psychoanalytische Therapien: sind von Freuds Technik der Psychoanalyse abgeleitet und konzentrieren sich auf die frühen und weitgehend unbewussten Ursprünge der Persönlichkeit und deren Pathologie (siehe auch Kapitel 4.1).
Verhaltenstherapien: als Basis liegen dazu die Theorien des Konditionierens und des instrumentellen Lernens zugrunde. Sie konzentreiren sich in erster Liniee auf die Modifizierung von manifestem beobachtbarem Verhalten.
Humanistische Therapien: konzentrieren sich auf die gegenwärtige Funktionsfähigkeit des Patienten im Hier und Jetzt, auf das subjektive Erleben seines eigene Selbst und seiner Umwelt
Interpersonelle Therapien: einschließlich Einzel-, Familien- und Gruppentherapien stellen die zwischenmenschlichen Beziehungen und deren Einfluss auf das Verhalten in den Mittelpunkt und versuchen häufig die Systeme der zwischenmenschlichen Interaktion des Individuums zu verändern.

Bewegungs- und körperorientierte Therapien: Bewegungs- und körperorientierte Therapieverfahren beziehen ihren theoretischen Hintergrund vermehrt von psychotherapeutischen Bezugstheorien. Dabei reicht das Spektrum der therapeutischen Ausrichtung von der Verhaltenstherapie bis hin zu analytischen und humanistischen Verfahren.
Bewegungs- und Sporttherapie: Die Bewegungs- und Sporttherapie leitet ihren spezifischen Therapieansatz von Techniken der Verhaltenstherapie ab, die in ihrer Wirksamkeit als wissenschaftliche belegt angesehen werden. Der theoretische Bezugsrahmen ermöglicht die Einbeziehung der Genese verschiedener psychischer Störungen, unterstützt die Formulierung von Therapiezielen und gibt Hinweise für die Erklärung und Vorhersage von Patientenverhalten. Unter Berücksichtigung einer individuellen Verhaltensanalyse wird das sporttherapeutische Setting als realitätsnahes Handlungsfeld gesehen, in dem sich problematische Verhaltensweisen zeigen können, die verschiedenen verhaltenstherapeutischen Techniken zugänglich sind (z.B. Verstärkung, Modellernen, Reizkonfrontation, Selbstsicherheitstraining, Angstbewältigungstraining).
Integrative Bewegungstherapie (siehe Kapitel 3.6, Leibkonzepte – Integrative Körper – und Leibtherapie


Konzentrative Bewegungstherapie: Die Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) bezeichnet sich als ein tiefenpsychologisch fundiertes psychotherapeutisches Verfahren. Ausgangspunkt ist wieder das enge Wechselspiel zwischen Körper und Seele. Im Vordergrund steht die durch Konzentration verstärkte Wahrnehmungsbereitschaft für innere und äußere Bewegungen. Sie stellt eine Ergänzung und Erweiterung gegenüber rein verbaler Therapieverfahren dar und versucht die eigene Körperentfremdung aufzuheben. Über taktile, manuelle, visuelle und motorische Erforschung der Objektwelt in Konzentration sollen die Körpergrenezn und Polaritäten (z.B. Aktivität – Passivität, Distanz – Nähe) bewusst gemacht werden.Des Weiteren ist die Umsetzung des Erlebten in andere Ausdrucksmedien (Farben, Ton, Stimme…) und auch das Symbolisieren von Erfahrungen mit Gegenständen bedeutsam. In den typischen Themen, wie etwa Festhalten, Loslassen, Sich-überlassen, Umgang mit Grenzen, seinen Standpunkt finden, etc. die in der KBT leiblich durchgespielt und erfahrbar gemacht werden, verbergen sich Lebensthemen und zentrale Konflikte. Die Beziehung zum Selbst und der Umgebung sowie die Konfliktbewältigung stehen in diesem Verfahren im Vordergrund.


Psychomotorische Therapie: (Berufsbezeichnung: Motopädinnen bzw. Motologen sind Vertreter der Psychomotorikerinnen in Deutschland): die Leib- und bewegungsorientierten Angebote dienen der Beziehungsgestaltung und als grundlegender Handlungs- und Erfahrungsraum. Psychomotorik arbeitet sowohl entwicklungsorientiert als auch im therapeutischen Kontext zur Verminderung von Leiden und Symptomen, symptominduziert.


Therapieplanung


Das Modell von HÖLTER (1993) versucht, eine zunächst fachspezifische Didaktik und Methodik den geltenden Therapiekriterien (Anamnese – Diagnose – Intervention – Evaluation) anzupassen. Sowohl die äußeren Rahmenbedingungen (Institution, gesellschaftliche Verhältnisse, theoretische Modelle etc.) ist die Erfassung der Ausgangslage (Informationen über den Patienten, Therapeutenvariablen, therapeutisches Setting) und die sich daraus ergebenden differentiellen Therapieziele von zentraler Bedeutung für die Therapieplanung.

Bei der Therapiedurchführung geht es, ausgehend von der individuellen Ausgangslage der Patientinnen, darum, die inhaltliche Gestaltung den festgelegten Therapiezielen zuzuordnen. Im aktiven Handeln und Erleben wird den Patientinnen ermöglicht, Erfahrungen mit der eigenen Person, Partnerinnen und Gruppen sowie mit Umfeld, Geräten und Materialien zu sammeln und sich kognitiv damit auseinanderzusetzen. Entscheidend für den therapeutischen Prozess ist es die vielfältigen Bewegungs- und Sportinhalte in ihrer möglichen Bedeutung erfahrbar zu machen. Erst durch die spezifische Aufbereitung der Bewegungssituation können Bewegung, Spiel und Sport zu therapeutischen Medien werden.

Ausgewählte Krankheitsbilder
Depressionen

Störung der Affektivität: Traurigkeit, Hilflosigkeit, innere Leere
Krankheitsbild, Erscheinungsformen, Ursachen
gehemmt-apathisch
agitiert – ängstlich
gehemmt – ängstlich
larviert bzw. maskiert.
Depressive Verstimmung
Verlust der effektiven Schwingungsfähigkeit;
Gefühl innerer Leere, Gefühl der Gefühllosigkeit;
Freudlosigkeit, Interessenverlust, sozialer Rückzug;
Angst, Hoffnungslosigkeit;
Suizidgefahr
Antriebsstörung
Antriebshemmung
Initiativenlosigkeit, leichte Erschöpfbarkeit, Kraftlosigkeit;
motorische Verlangsamung und Hemmung;
in schweren Fällen Entwicklung zum depressiven Stupor mit fast völliger Regungslosigkeit (selten).
Antriebssteigerung
hektische Bewegungen, Agitiertheit, nervös-fahriges Verhalten; starke innere Unruhe, Ängstlichkeit, Klagen.
Denken
Denkhemmung, Verlangsamung;
Konzentrationsschwäche, Entschlußunfähigkeit;
Gedankenkreisen, Grübelzwang;
negative Kognitionen, negatives Selbstkonzept;
inhaltliche Denkstörungen mit Wahnvorstellungen (Schuldwahn, Verarmungswahn, Krankheitswahn, nihilistischer Wahn).
Vegetative Störungen
Appetitlosigkeit, Schlafstörungen;
Kopfschmerzen;
Magen-Darm-Beschwerden;
Herzsensationen (Stechen, Brennen, Druckgefühl), Kreislaufstörungen, Atembeschwerden;
Gelenk- und Muskelschmerzen oder -verspannungen.


Ursachen
Störungen biochemischer Abläufe im Hirnstoffwechsel (Neurotransmitterhaushalt: Serotonin/Noradrenalin-Hypothese, verminderte Rezeptorensensibilität), neuroendokrinologische Ansätze -körpereigene Opiate


Verhaltenstheoretisch-kognitive Sicht
Das Verstärkerverlustmodell von LEWINSOHN: Basierend auf der Theorie von Lewinson, könnte ein Mangel oder das Fehlen positiver Verstärker eine mögliche Ursache für das Entstehen von Depressionen sein. Schwenkmezger (1985) erklärt, dass depressive Menschen in dem Glauben verharren, dass zwischen ihrem Verhalten und dem Eintreten oder Ausbleiben erwünschter Ereignisse kein Zusammenhang besteht.
Modell der gelernten Hilflosigkeit von SELIGMAN: Erfahrungen, dass eigene Handlungen nicht den gewünschten Effekt erzielen, können ein Gefühl der Unkontrollierbarkeit, der Hilflosigkeit erzeugen. Dieses führt längerfristig gesehen zu einem motivationalen, kognitiven und emotionalen Defizit (Seligman, 1986).
kognitiven Modells von BECK Übergeneralisationen, Fehlinterpretationen, selektive Abstraktionen und unangemessene Kausalattribuierungen


Ansätze der Sport- und Bewegungstherapie (nach: Sport mit Sondergruppen 1996)
Erhöhung des Aktivitätsniveaus
Förderung sozialer Kompetenz
Veränderung depressiver Einstellungen und Verhaltensweisen
Bewußtmachen der Kontrollierbarkeit bestimmter Situationen
Veränderung der Kausalattribuierung
Einsatz von verhaltenstherapeutischen Techniken in strukturierten Bewegungssituationen zur Modifizierung von Einstellungen (Identifikation von automatischen Gedanken, Reattribuierungstechniken, Neubewertung, Modelling, Prompting, Feedback).

Ausdaueraktivitäten und Streßregulationsmaßnahmen: Körperwahrnehmung, Steigerung des Wohlbefindens und Streßregulation stehen im Vordergrund.

Stellenwert bewegungs- und sporttherapeutischer Maßnahmen:
Vorbereitung auf eine anstehende Psychotherapie;
Integration in ein Gesamtbehandlungskonzept im Rahmen psychologischer, psychiatrischer und medizinischer Maßnahmen;
direkte Einbindung in eine feldorientierte psychotherapeutische Arbeit zur Optimierung der Effektivität der jeweiligen Verfahren.

Die Effekte der Bewegungs- und Sporttherapie am Beispiel des Berliner Sporttherapieprogramm zur Behandlung depressiver Störungen (Erkelens & Golz, 1996).

In den letzten 20 Jahren ist die Behandlung von Depressionen durch Bewegung, Spiel und Sport verstärkt in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses gerückt. Die in dieser Arbeit dargestellte Übersicht der empirischen Studien zu diesem Thema lässt den Schluss zu, dass sportliche Aktivitäten einen antidepressiven Effekt ausüben.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts Bewegung, Spiel und Sport in der Behandlung von Depressionenwurde am Institut für Sportwissenschaft der Freien Universität Berlin ein Sporttherapieprogramm entwickelt und auf die therapeutische Effektivität hin untersucht.
Das Berliner Sporttherapieprogramm beinhaltet neben einem ausdauerorientierten Intervallauftraining und Gruppengesprächen eine Reihe spezieller, auf das depressive Syndrom ausgerichteter Sport-, Bewegungs- und Körpererfahrungsübungen sowie Übungen, in denen das bewusste Erleben der Natur im Mittelpunkt stehen.
Die empirische Untersuchung mit 60 depressiven Menschen ergab, dass das Programm bei 70 % der Teilnehmer zu bedeutsamen psychischen und physischen Verbesserungen führte.
Jeder sporttherapeutische Termin führte aktuell zu einer Verbesserung der Befindlichkeit und zu einer Verringerung von ängstlichen und depressiven Gefühlen. Über die gesamte Untersuchungszeit betrachtet konnten weitreichende Verbesserungen der depressiven Symptomatik und der körperlichen Gesundheit erzielt werden. Die Wirkeffekte verblieben auch nach einer längeren Zeit (Kontrolluntersuchung nach einem und nach vier Jahren) stabil.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die Ursachen für diese Veränderungen untersucht.

Zwei Wirkeffekte werden dabei als entscheidend angesehen:
eine Veränderung der depressiven Grundstimmung durch eine Summation von aktuellen Stimmungsverbesserungen und
eine Veränderung der internen Hilflosigkeitseinstellung der Patienten.

Zusammenfassung möglicher Wirkfaktoren psychischer Effekte

Physiologische Wirkfaktoren

Veränderungen des Endorphinspiegels und Katecholaminspiegels

Depressiven Störungen wird u. a. ein Mangel an diesen Substanzen zugeschrieben, weshalb eine Erhöhung durch Ausdauerbelastung zur Minderung der Symptomatik beitragen könnte. Da die Endorphine erst ab einer erhöhten Belastungsdauer und –intensität wirksam werden, dürfte diese Hypothese jedoch keine Bedeutung bei bewegungs- und sporttherapeutischen Maßnahmen in der Depressionsbehandlung haben (vgl. Huber, 1990; Knobloch, 1993; Erkelens/Golz, 1998).

Allgemeine physiologische Aktivierungshypothese

Durch sportliche Betätigung wird die
Durchblutung des zentralen Nervensystems erhöht und somit die Sauerstoffversorgung angeregt
Die Körpertemperatur steigt
Verbesserung der kardiovaskulären Funktionen
Verminderung des Spannungszustandes der Muskulatur
Erhöhtes Wohlbefinden.

Psychologische Wirkfaktoren

Ablenkungshypothese

Während und nach dem Sporttreiben sind Teile der Aufmerksamkeit, der Informations- und Verarbeitungskapazität gebunden. Somit ist die Beschäftigung mit negativen Gedanken beschränkt oder gar nicht mehr möglich (Metzenthin/Tischhauser, 1996; Erkelens/Golz, 1998).

Wirksamkeit meditativer Bewusstseinszustände

Dabei wird davon ausgegangen, dass man bei einem Gleichgewicht zwischen Leistungsanforderung und Fähigkeit in einen „meditativen“ Bewusstseinszustand geraten kann.

Selbstwirksamkeitshypothese

Die Überzeugung, schwierige Situationen selbst bewältigen und kontrollieren zu können, stellen wichtige Merkmale des Wohlbefindens und der seelischen Gesundheit dar. durch Sporttreiben nimmt die Leistung zu und somit auch die Selbstwirksamkeitserwartung und die Stressresistenz gesteigert werden (Erkelens & Golz, 1998; Schwenkmezger, 1993)

Verhaltenstheoretischer Ansatz

Die objektive Verbesserung des physischen Zustands können u.a. zu einer Steigerung des Wohlbefindens oder des Selbskonzeptes führen. Bewegungs- bzw. sportorientierte Maßnahmen sollen diese Abhängigkeit von Verstärkung verdeutlichen und können positive Erfahrungen vermitteln (vgl. Huber, 1990; Erkelens & Golz, 1998).

Unabhängig von welchen Wirkfaktoren die Besserung der Befindlichkeit depressiver Patienten nun genau abhängt, kommen verschiedene Autoren zu folgenden Schlussfolgerungen:

Sportprogramme können zu ebenso hohen Veränderungen der führen wie reine Psychotherapien, besser kombinierte Therapie (vgl. Golz, 1991)
Die besten Effekte bei längerandauernden Sportprogrammen (10 Wochen und mehr) zu beobachten (vgl. ua. North et al., 1990; Biddle, 1996); nicht unbedingt Übungsform entscheidend.
Ausgehend von der Hypothese des Zusammenhangs von Depression und einer Veränderung der Stoffwechselprodukte finden sich in der überwiegenden Zahl der Untersuchungen aerobe Belastungsformen wie Laufen/Joggen, die nachweislich zu einer Erhöhung der erwähnten Botenstoffe führen.

Die Forschungsergebnisse haben zwar in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Depressions- und Ausdauerforschung viel bewegt, konnten dennoch keine (aufschlussreichen) neuen Ergebnisse liefern.