Medizin im Sport

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Klasse 12

Autor Traumfängerin

Veröffentlicht am 03.03.2018

Schlagwörter

Sport Bewegung

Zusammenfassung

Vom Medizin- zum Gesundheitssystem - Professionalisierungschance für SportwissenschafterInnen? Da die enge Verbindung zwischen Studium und Berufsfeld für Studierende der Sportwissenschaft heute weitgehend auseinander gebrochen ist, haben die zuständigen Institute im Laufe der achtziger Jahre neue Diplom-Studiengänge eingerichtet, die in der Mehrzahl auf das Berufsfeld Gesundheit ausgerichtet sind, der ein potentiell vielversprechendes Arbeitsfeld darstellt

Vom Medizin- zum Gesundheitssystem - Professionalisierungschance für SportwissenschafterInnen?

Da die enge Verbindung zwischen Studium und Berufsfeld für Studierende der Sportwissenschaft heute weitgehend auseinander gebrochen ist, haben die zuständigen Institute im Laufe der achtziger Jahre neue Diplom-Studiengänge eingerichtet, die in der Mehrzahl auf das Berufsfeld Gesundheit ausgerichtet sind, der ein potentiell vielversprechendes Arbeitsfeld darstellt. Der negative Aspekt dabei ist, dass die jungen Sportwissenschafter in diesen Organisationen auf ein bereits klar vorstrukturiertes und von den medizinischen Qualifikationen dominiertes Feld treffen, wo sie als Kranken- gymnasten oder Sporttherapeuten meistens nur als verlängerter Arm der Ärzte fungieren und mit Unterbezahlung rechnen müssen.

Es gilt nun zu klären, ob sich neben den Medizinern im Gesundheitssystem eine weitere Profession verankern lässt und welche Voraussetzungen dafür nötig sind.

Bedingungen der Professionalisierung

Nach dem systemtheoretischen Ansatz Stichwehs, ist von einer Profession nur dann zu sprechen, wenn sie in einem Funktionssystem eine dominante Stellung besitzt, d.h. sie für die Bearbeitung eines gesellschaftlichen Problems zentral verantwortlich und in der Lage ist, hierbei andere Berufsgruppen zu steuern: Medizin-, Rechts- und Erziehungssystem.

Nur wenn Sportwissenschafter die Bearbeitung eines spezifischen gesundheitsbezogenen Problems für sich beanspruchen können, für das keine anderen Berufe im Gesundheits-system zuständig sind, können sie sich langfristig unersetzbar machen.

Der Wandel des Medizinsystems- zum Gesundheitssystem

Pariser Schule - somatisch/lokalistisch; kurative Individualmedizin: “krank nur das, was einen objektiv feststellbaren Niederschlag im Körper hinterließ”
psychosomatische Ergänzung der Medizin, um Risikofaktoren früh zu erkennen
Wechsel von Infektionskrankheiten zu chronischen Krankheiten wirkungsvolle Formen der Prävention
Medizin der Zukunft muss sich im Vorfeld der Krankheiten abspielen
Sozialmedizin: gesellschaftliche Bedingungen von Gesundheit und Krankheit analysieren, um präventiv einwirken zu können Beachtung gesundheits-fördernder Lebensstile und Lebenswelten
Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens breitere präventive Ausrichtung
krank/gesund lebensförderlich/lebenshinderlich (= Gesundheitssystem)

Mit dieser Umcodierung wären zumindest die Bedingungen für eine Professionalisierung geschaffen. Es ist aber ziemlich unwahrscheinlich, dass die Ärzte ohne weiteres das Feld räumen und gleichrangige Konkurrenten innerhalb des Systems zulassen. Sie werden eher versuchen, die neue Codierung zur Erweiterung ihrer eigenen Kompetenzen zu nutzen.
Hinzukommt, dass durch Beschneidungen des Gesundheitsförderung weitere mögliche Arbeitsplätze verloren gehen. Sportwissenschafter als Experte für sportive Lebensstile, der in der Lage ist, eine gesundheitsförderliche Lebensführung zu vermitteln.
Zur Dynamik der Sportnachfrage im Lebenslauf

Forschungsstand

die Sportnachfrage nimmt etwa ab dem 25. Lebensjahr kontinuierlich ab
mit steigendem Alter wächst die Bedeutung von Gesundheit als Sportmotiv
dennoch variiert die sportartspezifische Nachfrage im Lebenslauf nur gering
bei der Institutionenwahl erscheinen Senioren Sportvereine besonders vertrauenswürdig

Hierbei ist aber zu beachten, dass aufgrund der mangelhaften Forschungslage deutliche Wissenslücken bestehen!

Neuere empirische Befunde
(Ergebnisse aktueller Querschnittsstudien zur allgemeinen Sportnachfrage der verschiedenen Altersgruppen)

Sportengagement:
der Anteil der Personen, die regelmäßig Sport betreiben nimmt mit zunehmendem Alter ab
lediglich bis zu einem Alter von 34 Jahren treiben mehr Männer regelmäßig Sport als Frauen, ab dann sind deutlich mehr Frauen regelmäßig sportlich aktiv
bei den über 65jährigen zeigen sich keine nennenswerten Unterschiede

Sportartennachfrage:
bis zu einem Alter von 19 Jahren werden vor allem Spielsportarten betrieben
mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter erfolgt ein Wechsel zum Individualsport,
wobei zunächst Fitness-Sportarten und ab dem 40. Lebensjahr immer mehr gesundheitsorientierte Sportformen bevorzugt werden. Bei den Frauen vollzieht sich dieser Wandel früher
ab dem 60. Lebensjahr v.a. Gymnastik, Wandern und spazieren gehen

Insititutionenwahl:
die 14- bis 19jährigen bevorzugen den Sportverein
die 20- bis 29jährigen wählen dann immer mehr die informelle Variante (kommerzielle Anbieter)
Frauen bevorzugen kommerzielle Anbieter, während Männer eher zum Sportverein tendieren

Sportmotive:
Wandel der Sportmotive im Lebenslauf: Geselligkeit und Spaß verlieren als Sportmotiv mit zunehmendem Alter an Relevanz, während Gesundheitsaspekte (Sport als Medium der individuellen Gesundheitsverbesserung und Selbstmedikation) deutlich an Bedeutung gewinnen.

Sportengagement im Wandel der Zeit:
ab 1994 leichter, aber kontinuierlicher Anstieg der wöchentlichen Sportaktivität (v.a. bei den über 45jährigen)
Anteil an Frauen, die regelmäßig Sport betreiben stärker gewachsen als der der Männer
Veränderungen des Sportengagements im Lebenslauf bei Frauen besonders markant
Sport als Männerdomäne nur noch bei den 16- bis 34jährigen

tendenzielle Angleichung des Sportengagements sowohl zwischen Geschlechtern als auch zwischen Altersgruppen.

Mögliche Erklärungsmuster

Suche nach Identifikationsobjekten - Identitätsfindung über den eigenen Körper und somit auch über Sport
Erosion tradierter Alters- und Geschlechtsnormen - hohes Alter nicht mehr mit Inaktivität und Disengagement gleichgesetzt, sondern sportliche Aktivität im höheren Lebensalter als positive Erscheinung betrachtet
Körper-, Schlankheits- und Jugendlichkeitsideale - Aufwertung des Körpers in der modernen Gesellschaft; schlanker, schöner Körper als Distinktionsobjekt
Erlebnisrationalität - Erleben spielt wichtige Rolle im Lebenskonzept
Medium der individuellen Gesundheitsverbesserung
Verschiebung kulturell gesteuerter Entwicklungsaufgaben - Verlängerung der Jugendphase, höheres durchschnittliches Heiratsalter, Singledasein verlängertes Sportengagement möglich
Streben nach Flexibilität und Eigenständigkeit - die in der Arbeitswelt zunehmend geforderte zeitliche Flexibilität erfordert eine zeitlich flexiblere Freizeitgestaltung

Damit liegt die Vermutung nahe, dass verschiedene Faktoren des sozialen Wandels die Dynamik der Sportnachfrage im Lebenslauf in unterschiedlicher Weise beeinflussen.

Kollektive Personalisierung: strukturelle Defizite im Dopingdiskurs

Die Schwierigkeiten der Dopingbekämpfung sind vor allem das Resultat einer personalisierenden Situationsdefinition, d.h. Doping wird nach wie vor dem Fehlverhalten einzelner Menschen zugeschrieben.

Personalisierung im Spitzensport

Sport macht Menschen in öffentlich beobachtbaren Situationen sozial sichtbar. Der Nichtigkeitserfahrung des einzelnen in der modernen Organisationsgesellschaft setzt er die Idee von der Autonomie des Subjekts durch Leistungsindividualisierung entgegen.

Erhebliche Konsequenz für die Bearbeitung von Dopingvergehen:
Normverstöße lassen sich leicht personalisieren und singularisieren

Das Abschieben der Schuld auf individuelle Akteure hat die Aufgabe, Sportorganisationen zu schützen und den Glauben an die Steuerbarkeit des Sports aufrechtzuerhalten.

Personalisierung in den Massenmedien

Der Sport hält durch seine Dramatik und Unruhe die Massenmedien dauerhaft wach und versorgt sie mit entsprechenden Themen. Die Freiheit der eigenen Themenwahl und -behandlung ermöglicht es den Medien vor allem “berichtenswertes”, d.h. all jene Ereignisse, die sich besonders effektiv an den Aufmerksamkeitshorizont der Rezipienten anschließen lassen, zu zeigen. Das Dopingthema ist hier besonders anschlussfähig, weil es den journalistischen Sensationsbedarf in vielerlei Hinsicht abdeckt:
es ist konfliktträchtig, weil der Dopingsünder gegen die Fair-Play-Moral des Sports verstößt
es eignet sich für eine Moralisierung
der täterorientierte Umgang mit dem Dopingsünder entspricht genau dem Personalisierungsbedarf der Medien
“Doping ist der Stoff, aus dem Medienträume sind!”

Das Festmachen des Dopingthemas der Medien an einzelnen Personen hat folgende Bedingungen:
die Medien trachten natürlich danach, den Sport als ein Unterhaltungsfeld, das sich unbelastet von negativen Konnotationen genießen lässt, zu erhalten
sie haben ein Eigeninteresse daran, ihr Publikum nicht durch ein Zuviel an Dopingberichterstattung abzuschrecken
die spezifische Nähe der Fernsehsender zum organisierten Sport führt zu Schweige- und Beschwichtigungskartellen
Strukturen sind im Gegensatz zu Personen prinzipiell unerreichbar durch das Sinnes- und Wahrnehmungsrepertoire von Menschen
Strukturen widersprechen in ihrer Vorhersehbarkeit und Stabilität hochgradig dem permanenten Neuigkeitsbedarf der Medien

Personalisierung durch Jurisprudenz und Pädagogik

Das moderne Rechtssystem geht von der Steuerbarkeit des individuellen Schicksals aus
autonomes Rechtssubjekt. Durch die Personalisierung des Dopings schützen Juristen sich vor einem Steckenbleiben in den Fallen uneindeutiger Kausalität.

Für Pädagogen sind Normverstöße Charakterschwächen, die auf Erziehungsdefizite zurückgehen. Pädagogisierung zielt darauf ab, Normkonformität im Inneren der individuellen Akteure fest zu verankern.

Folgen kollektiver Personalisierung

Trotz aller Differenzen, die zwischen Sport, Medien, Recht und Pädagogik vorhanden sind, entstand ein intersystemischer Personalisierungskonsens im Bezug auf die Dopingthematik, aus dem sich folgende Konsequenzen ergeben:
eine ultrastabile Deutungsgemeinschaft, die gegen andere Versionen der Realitätsinterpretation weitgehend immun ist
Situationsdefinitionen, die davon ausgehen, dass Doping Sache einzelner Menschen sei, lenken Planung und Strukturentwicklung in eine entsprechende Richtung
“Pilatus-Syndrom”: das Abschieben der Schuld auf die Athleten entlastet die Sportverbände und Umfeldakteure
Athleten, Trainer, Sportfunktionäre und Mediziner werden notorisch damit überfordert, Copingstrategien zu entwickeln

Entsubjektivierung als soziologisches Erkenntnisprogramm

Es liegt an der Soziologie, diese weitverbreiteten Beobachtungsschemata durch eine andere Version der Realität zu ergänzen. D.h. Doping bewusst mehrgleisig zu behandeln, beispielsweise darauf hinzuweisen, dass Sportler durch überindividuelle Strukturen und Netzwerke auch zum Doping gebracht werden.