Betreuungsrecht
1.1 Betreuungsrecht
Seit dem 1.1.1992 ist das Betreuungsgesetz rechtskräftig. Es löste somit das ursprüngliche Institut der Entmündigung, sowie die Gebrechlichkeitspflegschaft ab (vgl. Probst 2005: 17).
Die rechtlichen Grundlagen für das Betreuungsrecht bilden die §§ 1896 bis 1908 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) (vgl. Röh/ Ansen 2014: 55).
1.1 Bedeutung des Betreuungsgesetzes
Das Betreuungsgesetz richtet sich an Menschen, die Volljährig sind und „[…] aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann, so bestellt das Betreuungsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer“ (§ 1896 Abs. 1 BGB).
Vordergründig des Betreuungsgesetzes steht die zu betreuende Person und die Erhaltung deren Selbstbestimmungsrechte. Der § 1901 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bekräftigt diesen Grundsatz. Darin heißt es im § 1901 Abs. 2 BGB: „Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht“. Des weiteren heißt es im § 1901 Abs. 3 BGB: „ Der Betreuer hat den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft […]“.
Ein wichtiger Grundsatz der Betreuungsgesetze ist die Erforderlichkeit einer Betreuung. Diese wird anhand des § 1896 Abs. 2 BGB beschrieben und besagt, dass keine Notwendigkeit für eine Betreuung besteht, wenn mit Hilfe anderer oder durch einen Bevollmächtigten die Angelegenheiten erledigt werden können. So können beispielsweise Familienangehörige oder Soziale Dienste bei der Unterstützung behilflich sein.
1.2 Aufgabenbereiche
Ein wesentliches Merkmal des Betreuungsgesetzes ist unter anderem, dass ein Betreuer nur für bestimmte Aufgabenbereiche zugeteilt werden kann, welche die zu betreuende Person nicht eigenständig durchführen kann (vgl. § 1896 Abs. 2 BGB). Dies bedeutet beispielsweise wenn eine zu betreuende Person nur Hilfestellung im Bereich der vermögensrechtlichen Angelegenheiten benötigt und alle anderen Lebensreiche selbständig bewältigen kann, so umfasst der Aufgabenkreis des Betreuers nur den vermögensrechtlichen Bereich. Für alle anderen Angelegenheiten wie beispielsweise medizinische Behandlungen ist der Betreuer nicht zuständig. Dadurch bleiben der zu betreuenden Person mehr Rechte und Eigenverantwortung erhalten.
Die Aufgabenbereiche, für die ein Betreuer zugeteilt wird, sind individuell und richten sich nach dem Bedarf des Betreuenden.
„Typische Aufgabenbereiche sind:
Gesundheitsfürsorge
Aufenthaltsbestimmung
Vermögenssorge
Vertretung gegenüber Behörden
Wohnungsangelegenheiten
Höchstpersönliche Willenserklärungen (z.B. Testamentserrichtung, Eheschließung) sind von einer Betreuung ausgeschlossen“ (Schneider 2012: 599).
Des weiteren kann ein Betreuer ebenfalls für alle Aufgabenbereiche angeordnet werden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Mensch mit einer Demenzerkrankung Hilfestellung in allen Lebensbereichen benötigt (vgl. Zimmermann 2006: 8).
1.3 Voraussetzungen
Wie bereits beschrieben regelt der § 1896 Abs. 1 BGB die Voraussetzungen für das Zustande kommen einer Betreuung.
„Das jemand seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann, genügt allein nicht, denn sonst müsste jeder geistig gesunde, aber nachlässige Mensch einen Betreuer bekommen“ (Zimmermann 2006: 2).
Demzufolge müssen weitere Faktoren gegeben sein, die dazu führen bestimmte Lebensbereiche eingeschränkt oder vollständig nicht mehr bewältigen zu können. Zum einen hat das Alter eine relevante Bedeutung. Die zu betreuende Person muss mindestens 18 Jahre alt und somit Volljährig sein.
Zum anderen ist die physische oder psychische Verfassung der zu betreuenden Person entscheidend. Demnach kann ein Betreuer vom Gericht angeordnet werden, wenn die zu betreuende Person unter einer psychischen Störung leidet.
Eine psychische Störung „[…] ist nach medizinischer Auslegung eine Erkrankung des Gehirns“ (Engelfried 2016: 28) und kann zu kognitiven oder emotionalen Beeinträchtigungen führen. Zur besseren Einordnung der zahlreichen psychischen Störungen wurde seitens der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das ICD- 10 (International Classification of Diseases) eingeführt (vgl. Ebd.).
Zu den psychischen Störungen zählen beispielsweise Neurosen oder Persönlichkeitsstörungen.
Des weiteren kann ein Betreuer aufgrund einer geistigen Behinderung bestellt werden. Eine geistige Behinderung kann beispielsweise von Geburt an oder in der frühkindlichen Lebensphase auftreten und hat die verminderte Leistungsfähigkeit des Gehirns zur Folge.
Ebenfalls kann eine seelische Behinderung oder eine körperliche Behinderung ein Grund für einen Betreuer sein. Seelische Behinderungen treten meistens als Auswirkung von psychischen Erkrankungen auf.
Zu den körperlichen Behinderungen können beispielsweise dauerhafte Bewegungseinschränkungen, Gehörlosigkeit oder stark verminderte Sehkraft, bzw. Blindheit zählen (vgl. Zimmermann 2006: 2f.).
Ergänzend zu den bereits genannten Voraussetzungen ist es ebenfalls relevant, ob eine Vorsorgevollmacht besteht. Durch eine Vorsorgevollmacht kann eine Person, im Vorfeld einer bestimmten Erkrankung, einer anderen Person beispielsweise einem Angehörigen das Recht übertragen, in dessen Namen zu handeln. Dabei ist allerdings zu beachten, dass zum Zeitpunkt der Erteilung der Vorsorgevollmacht keine Geschäftsunfähigkeit vorgelegen hat, welche ansonsten nicht rechtskräftig wäre (vgl. Ebd.: 9f.).
Zwangsmaßnahmen im Betreuungsrecht
Im Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes heißt es „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich […]“.
Im gewissen Sinne werden diese Grundrechte von Menschen bei der Anwendung von Zwangsmaßnahmen angegriffen. Es müssen dementsprechend gewichtige Gründe vorliegen (s.h. Abschnitt 2.2) die einen solchen Eingriff in die Freiheit eines Menschen rechtfertigen.
Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema ‚Zwangsmaßnahmen im Rahmen einer gesetzlichen Betreuung’ erscheint es auf den ersten Blick, dass sich Zwangsmaßnahmen auf den Bereich der freiheitsentziehenden Unterbringung beispielsweise eine Unterbringung in eine psychiatrische Einrichtung oder auf den Bereich der ärztlichen Zwangsmaßnahmen beziehen. Der Betreuer hat das Recht nach § 1906 BGB solch eine Zwangsmaßnahme zu veranlassen, wenn er der Ansicht ist, dies würde den Wohl, der zu betreuenden Person entsprechen. Zwar ist letztendlich das Betreuungsgericht der Entscheidungsträger, jedoch ist zu beachten, dass der Betreuer die Position besitzt für den Betreuten zu sprechen und dessen Willen zu vertreten.
Die Frage die sich hierbei stellt ist: ‘Zu welchem Zeitpunkt kann eine Handlung bereits als Zwangsmaßnahme gewertet werden ?’
Bei Betrachtung der Definition von Ulatowski sind Zwangsmaßnahmen: „[…] freiheitsentziehende Maßnahmen, die gegen den Willen des Patienten durchgeführt werden,[…]“(2016: 73).
Aus der Definition kann somit nicht eindeutig entnommen werden, dass es sich bei einer Betreuung gegen den Willen eines Menschen um eine Zwangsmaßnahme handelt, da die körperliche Freiheit der zu betreuenden Person nicht behindert wird. Andererseits kann die zu betreuende Person bei einer Zwangsbetreuung erheblich in ihrem Leben und der damit verbundenen Freiheit eingeschränkt werden.
Nach § 1896 Abs. 1a BGB heißt es zwar „Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden“, jedoch liegt hierbei die Gewichtung auf den Begriff „freier Wille“.
„Wenn der Betroffene mit der Bestellung eines Betreuers nicht einverstanden ist, dann kommt es darauf an, ob der Betroffene seinen Willen aufgrund der Erkrankung frei bestimmen kann“ (Zimmermann 2006: 5).
Dies würde bedeuten, dass bei Menschen mit einer rein körperlichen Behinderung kein Betreuer gegen den Willen bestellt werden kann, da diese über einen freien Willen verfügen. Hingegen bei Menschen, die aufgrund ihrer psychischen Krankheit keinen freien Willen mehr besitzen, darf ein Betreuer gegen dessen Willen bestellt werden.
Gesetzlich angeordnete Betreuer, die gegen den Willen des zu Betreuenden bestellt werden können zahlreiche Entscheidungen für die betreuende Person treffen.
Zum Beispiel, wenn der Betreuer den Aufgabenbereich der Aufenthaltsbestimmung übernimmt, so kann der Betreuer über den Aufenthalt des Betreuten bestimmen und beispielsweise wenn notwendig darüber entscheiden, ob die zu betreuende Person in ein Pflegeheim verlegt wird.
Inwieweit Betreuende in ihren Leben eingeschränkt werden können, ergibt sich insbesondere aus den § 1903 BGB. Dies ist der Fall, wenn der Betreuer das Recht des Einwilligungsvorbehalts besitzt. Dies bedeutet, dass der Betreute nicht mehr fähig ist eigenmächtig, beispielsweise bei Vertragsabschlüssen, entscheiden zu können und die Einwilligung des Betreuers benötigt (vgl. Zimmermann 2006 : 237).
Darüber hinaus hat ein Betreuer hingegen nicht das Recht im Bereich der Wohnungsangelegenheiten zwangsweise die Wohnung des Betreuten zu betreten, um diese beispielsweise zu entmüllen. Dies ergibt sich aus Art. 13 GG. Es sei denn, es würde sich um eine Notfallsituation handeln (vgl. Kilisch 2018).
Abschließend kann festgehalten werden, dass Betreuer im Rahmen ihrer Aufgabenbereiche weitreichende Entscheidungen für die zu betreuende Person treffen können und deren Leben entweder positiv oder negativ beeinflussen können. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Betreuer bei Entscheidungen, das Wohl und den Willen der zu betreuenden Person berücksichtigen sollten. Andererseits ist die richtige Einschätzung über den Willen des Betreuten nicht sonderlich einfach aufgrund der psychischen, seelischen oder geistigen Erkrankung. Inwieweit der Betreuer den tatsächlichen Willen der zu betreuenden Person vertritt, ist fraglich. Darüber hinaus sollte der Betreuer den Grundsatz „Die Freiheit zur Krankheit“ beachten, damit ist gemeint „die Selbstbestimmung eines Menschen umfasst auch die Freiheit, sich für oder gegen medizinische Maßnahmen zu entscheiden“ (Engelfried 2017: 21).
Somit muss immer fallspezifisch entschieden werden, inwiefern eine Zwangsbehandlung sinnvoll ist unter Berücksichtigung der „Verhältnismäßigkeit“.