Der Sozialstaat
Der Sozialstaat
Definition eines Sozialstaats:
Als Sozialstaat wird ein demokratischer Rechtsstaat bezeichnet, der die soziale Gerechtigkeit und Sicherheit seiner Bürger gemäß Verfassung zum Ziel hat und dieses Ziel mit entsprechenden gesetzgeberischen Maßnahmen sowie materiellen Unterstützungsleistungen verwirklicht
Definition des Sozialstaatsprinzips
Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat zu all den Leistungen, die erforderlich sind, um ein menschenwürdiges Dasein sicherzustellen. […] Das kapitalistische Ziel der Gewinnmaximierung ist dem Ziel Bedürfnisbefriedigung unterzuordnen. Es verbietet jeden Missbrauch von Freiheitsrechten zur Absicherung von Machtpositionen auf Kosten anderer.
- Jede soziale Ungleichheit widerspricht Prinzip der sozialen Gerechtigkeit (Gleichwertigkeit aller Menschen)
- Neu seit Bismarck 1880er: Staat muss sich auch um ökonomische Lebenslage der Bewohner kümmern, Garantie eines minimalen Lebensniveaus (Einführung Kranken- und Unfallversicherung, Altersrente)
- Gegenteil: Nachtwächterstaat bzw. reiner Rechtsstaat z.B. GB ca. 1850 Manchester Kapitalismus (Zentrum der Textilindustrie): kümmerte sich nur um Rechte der Bürger, jedoch nicht um Lebenslage
Aufgaben des Sozialstaates
- Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art.1, Abs. 1 GG, unveränderbar)
- Materielle Versorgung von Hilfsbedürftigen durch Sozialstaatsprinzip
- Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (z.B. Wahlen)
Das Sozialstaatspostulat
Der Sozialstaat ist staatszielförmig im Grundgesetz verankert in Art. 20 Abs. 1
- Dürftig: nur ein Wort „sozial“
- Massiv: so wichtig, dass es unveränderbar ist
- Historische Ursache: GG von 1949 katastrophale Lebensverhältnisse, Einigung der Parteien auf das Wort sozial (niemand will unsozial sein, lässt Interpretationsspielraum)
- Systematischer Grund: Flexibilität und Anpassbarkeit da sich Sozialstandards stetig verändern
• Keine sozialen Grundrechte, nicht im dt. GG, Recht auf Arbeit wird jedoch gefordert (am wichtigsten)
- Dann könnte man z.B. nach verlorenem Job Recht auf Arbeit einklagen
- Problem der Finanzierung: Wenn jeder für Staat arbeitet, muss Staat auch allen Gehalt zahlen
- Oder Verletzung des Wettbewerbsprinzips: Jeder soll selbst entscheiden dürfen, wen er einstellt
• Staat kann Sozialstaat aber kein Rechtsstaat sein!
Dimensionen des Sozialstaatsprinzip nach Helmut Ridder
- Sozialpflichtigkeit des Staats: Staat verpflichtet sich zu Hilfeleistung bei sozialen Notlagen (Unfälle, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Pflegebedürftigkeit) & Verbesserung der Situation des unterprivilegierten Teils der Bevölkerung: Vorsorge-, Verteilungs- und Ausgleichsmaßnahmen (z.B. Bildung)
- Früher: Familien, Kirchen, Privatleute, Gemeinden, Unternehmen, Gewerkschaften
- Heute: Jeder Einzelne hat Rechtsanspruch darauf
- Gestaltungsmaxime: Offen, wie Staat seine Hilfe gestaltet
- Sozialbindung der Grundrechte: Grundrechte im Sozialstaat sind so zu interpretieren, dass für alle ein möglichst gleiches Maß realer (materieller) Freiheit gewährleistet wird
Voraussetzungen des Sozialstaates
- Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht (Art. 109, Abs. II GG), z.B. Import-Export-Gleichgewicht
- Subsidiäre Sozialverantwortung des Einzelnen: Inanspruchnahme staatlicher Sozialleistungen erst nach Erschöpfung der eigenen Leistungsfähigkeit (kein Hartz 4, wenn man arbeiten könnte)
- Sozialverpflichtung der Bürger: Sozialverantwortung für sich selbst und für Mitmenschen (z.B. Steuern zahlen)
Leistungsspektrum des deutschen Sozialstaats
- Versicherungsleistung: Versicherungen sind beitragsfinanziert, jeder bekommt es
- Fürsorgeleistung: steuerfinanziert, an Bedürftigkeit geknüpft (Bsp: Hartz 4)
- Versorgungleistung: steuerfinanziert, für bestimmte Gruppen, z.B. Beamte, Kindergeld
- Solidarisch vs. subsidiär bezahlte Leistungen:
- Solidarität: z.B. Krankenversicherung, gleiches Risiko, Kranker bekommt Leistung
- Subsidiär: in letzter Instanz (wenn z.B. Familie nicht zahlen kann) bekommt man Leistung