Der paraguayische Dialekt

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Klasse 12

Autor lisaurus

Veröffentlicht am 02.04.2018

Schlagwörter

Paraguay Dialekt Spanisch Paraguayisch

Zusammenfassung

Dieses Referat untersucht den Dialekt Paraguays. Nach einer allgemeinen Einführung folgt eine ausführliche Beschreibung der Phonetik bzw. Phonologie, Morphosyntax und Lexik des paraguayischen Dialekts.

Der Paraguayische Dialekt

Allgemeines

In der auf Pedro Henríquez Ureña basierenden Substrateinteilung Lateinamerikas zählt Paraguay zur rioplatensischen Gruppe. Diese Zuteilung ist allerdings kritisch zu bewerten, da Paraguay sprachlich heute nur noch wenige Gemeinsamkeiten mit dem Spanischen Argentiniens und Uruguays aufweist (vgl. Born 2012:86). Aufgrund der indigenen Kontaktsprache sind die wesentlichen Merkmale des paraguayischen Spanisch ge-prägt von Interferenzen aus dem Guaraní. Deren Ausmaß ist abhängig von der Sprachkompetenz des Sprechers in beiden Sprachen oder von dessen Vorlieben. Auch diastratische und diaphasische Aspekte spielen dabei eine Rolle. Eine weitere Besonderheit bilden Archaismen, also Merkmale, die für das Spanische älterer Stufen kennzeichnend sind, und aus der langen Isolation des Landes resultieren.

Phonetik und Phonologie

Im paraguayischen Spanisch gibt es phonologisch-phonetische Auffälligkeiten, die nur in Paraguay vorzufinden sind und sol-che, die auch in anderen lateinamerikanischen Varietäten üb-lich sind. Zu letzteren zählt beispielsweise das Phänomen des Seseo. Während in der Standardvarietät zwischen dem stimm-losen alveolaren Frikativ [s] und dem stimmlosen dentalen Fri-kativ [θ] unterschieden wird, fallen diese beim Seseo zu einem gemeinsamen Phonem /s/ zusammen (vgl. Krivoshein 1987:20).

Im Falle des Lleísmo hebt sich Paraguay jedoch vom Rest Lateinamerikas ab. Das heißt, man realisiert dort sehr wohl den Unterschied zwischen dem stimmhaften palatalem Lateral /ʎ/ und dem stimmhaften palatalem Frikativ /ʝ/, obwohl sich das übrige Hispanoamerika den Yeísmo angewöhnt hat und diese Unterscheidung zu Gunsten des Frikativs nicht mehr vornimmt. Nun stellt sich die Frage, weshalb Paraguay hier ein Ausnahmefall ist. Ein möglicher Erklärungsfaktor ist zweifellos die lange geografische, soziale und politische Isolation Paraguays im Laufe seiner Geschichte (vgl. Lipski 1994:307f). Malmberg (1947:7f) versucht den Lleísmo außerdem durch die Tatsache zu erklären, dass Spanisch nie die Muttersprache der Mehrheit der Paraguayer war und es nur für offizielle Zwecke benutzt wurde. Somit war Spanisch schon immer von einem konserva-tiveren Charakter geprägt als die Volkssprache Guaraní und vollzog deshalb keine Transformation.

Ein ebenfalls charakteristisches Merkmal für Paraguayer ist die Affrizierung von intervokalischem /y/ zu [ʤ], z.B. mayor [ma’ʤor]. Das passiert außerdem in Kombination mit den Konsonanten /n/ und /l/ und am Wortanfang. Malmberg (1947:8-10) begründet dies durch den Einfluss des Guaraní auf das paraguayische Spanisch, da dieses ebenfalls ein präpalatales Phonem kennt, das normalerweise als Affrikate realisiert wird (beispielsweise yaguá [ʤag’wa]). Jedoch kann das nicht die einzige Erklärung sein, da man dieses Phänomen auch auf der Spanischen Halbinsel und in anderen Teilen Amerikas vorfindet. Laut Krivoshein de Canese und Corvalán (1987:20) ist diese Besonderheit sogar Teil des EPE.

Nur im EPC vorzufinden dagegen ist die Alveolarisierung beziehungsweise Quasi-Affrizierung von /tr/, bei otro [‘otʃo]. Dies ist jedoch kein rein paraguayisches Phänomen, ähnliches findet sich auch beispielsweise in der Anden-Region (vgl. Lip-ski 1994:308). Allgemein gibt es im paraguayischen Spanisch laut Malmberg (1947:12f) eine starke Tendenz die Plosive /t/ und /d/, sowie die Konsonantengruppe /rt/ immer alveolar zu realisieren. Das bedeutet, dass die Allophone (z.B. das inter-dentale [ð], das im Standardkastilischen unter anderem inter-vokalisch an Stelle von [d] auftritt) keine Anwendung finden. Malmberg sieht hierin wieder einen Guaraní-Einfluss.

Was /rt/ betrifft, so belegt Cassano (1972:23f) allerdings, dass ein sol-cher unmöglich ist, da das Silbensystem des Guaraní keine Konsonantengruppen kennt außer /mb/, /nd/, /ng/ und diese werden als monophonematisch angesehen. Stattdessen stellt Cassano die These auf, dass das /t/ als Folge von Trägheit an das vorangehende alveolare /r/ assimiliert wird. Im Falle von /t/ und /d/ zeigt Granda (1982a:153f) auf, dass die beiden Plosive eher selten alveolar realisiert werden, außer vor /r/. Die Laute werden normalerweise dental realisiert, eine Alveolarisierung tritt lediglich in manchen Fällen vor den Vokalen [e] und [i] auf. Auch hier widerlegt Cassano (1972:25f) einen möglichen Guaraní-Einfluss, da im Guaraní [d] nur vor [n] vorkommt. Somit kann es, wenn überhaupt, nur einen Einfluss auf die Konsonantengruppe /nd/ haben. Das Phonem /t/ taucht im Guaraní nur am Silbenanfang auf, weshalb es nur das spanische /t/ in silbeninitialer Position beeinflussen kann.

Darüber hinaus kann es im español paraguayo zu einer Auslautverhärtung des finalem /d/ zu [t] kommen (vgl. Lipski 1994:308f). Nach Granda (1982a:155) kann es im EPC neben dem Verlust der Stimmhaftigkeit sogar dazu kommen, dass das finale /d/ ganz verloren geht. Granda machte in dieser Position in seltenen Fällen auch /r/ ausfindig, wie bei edad [e’daɾ].
Das /r/ wird im Silbenauslaut entweder als Monovibrant [ɾ] realisiert oder entfällt ganz, vor allem in der alltäglichen Umgangssprache (vgl. Lipski 1994:308). Im Allgemeinen ist das paraguayische /r/ schlaffer als das standardkastilische und in intervokalischer Position normalerweise Frikativ statt Mo-novibrant (vgl. Granda 1982a:169).

Des Weiteren trifft man urbanen Zonen sehr oft die Ab-schwächung oder den Ausfall von intervokalischem /b/ und /d/ und /g/ (seúro, too, saádo) an, vor allem bei /d/. In ruralen Ge-bieten stößt man jedoch seltener darauf (vgl. Granda 1982a:154).
Außerdem wird der stimmhafte Plosiv /b/ sowohl im EPE als auch im EPC häufig labiodental [v] realisiert (auch am Wort- oder Satzanfang), außer vor /m/, z.B. caballo [ka’vaʎo]. Ein Einfluss der indigenen Sprache liegt in diesem Fall nahe, da im Guaraní weder der Laut [b] noch [β] existiert (außer bei /mb/), der labiodentale Laut allerdings schon (vgl. Krivoshein de Ca-nese / Corvalán 1987:20). Malmberg (1947:15f) versucht die-ses Phänomen dagegen auf die Schulbildung zurückzuführen, weil dort das orthografische v oft als [v] realisiert wird, um die Rechtschreibung zu erlernen.

Granda (1982a:155-57) wider-spricht ihm allerdings, da die labiodentale Realisierung von /b/ auch beispielsweise bei Analphabeten auftreten kann. Viel-mehr vermutet er wie Krivoshein de Canese und Corvalán ei-nen Einfluss aus dem Guaraní. Er unterstützt diese These mit der Tatsache, dass der durchgehende Gebrauch von [v] in rura-len Gebieten, die stark vom Guaraní beeinflusst sind, geläufiger ist als in urbanen. Bei Guaraní-dominanten Bilingualen kommt es obendrein gelegentlich zu einer Pränasalierung von [b/v] zu [mb], „sonido existente, con valor monofonemático, en guaraní, en posición inicial de palabra“ (Granda 1982a: 159). Auch im paraguayischen Spanischen tritt das Phänomen nur am Wortanfang auf: bueno [‘mbweno].

Dazu kommt, dass die Laute /j/ und /g/ vor /e/ und /i/, die im Kastilischen normalerweise als stimmloser velarer Frikativ [x] realisiert werden, in Paraguay als stimmloser glottaler Fri-kativ [h] gesprochen werden, beispielsweise caja [‘kaha]. Dies tritt nicht nur im EPC auf, sondern auch im EPE (vgl. Krivoshein de Canese / Corvalán 1987:20).

Die Aspiration oder der Komplettausfall von /s/ in inter-vokalischer Position, wie in fast allen hispanoamerikanischen Ländern „se encuentra también en el Paraguay, […] si bien li-mitada a las zonas rurales y a escasos ejemplos en los socio-lectos urbanos inferiors (nohotro, nehesario)“ (Granda 1982a:168). Im Silben- oder Wortauslaut wird /s/ fast immer aspiriert, ein Komplettausfall ist, außer am Satzende, selten (vgl. Lipski 1994:309).

Bezüglich des Vokalismus kann eine leichte Nasalierung von unbetonten Vokalen auftreten, vor allem vor /n/ und /m/ und vor oder nach /mb/. Die Tatsache, dass es im Guaraní na-sale Vokale gibt, spricht dafür, dieses Phänomen auf den Kon-takt zur indigenen Sprache zurückzuführen ist. Zusätzlich be-merkte Granda (1982a: 150f) die gelegentliche Substituierung der Vokale /u/ und /i/ durch den sechsten Guaraní Vokal [ɨ] (geschrieben als y).

Obwohl das auslautende /n/ normalerweise alveolar reali-siert wird, kommt es unter Guarani-Einfluss häufig zu einem Ausfall, der mit einer Nasalierung des vorangehenden Vokals einhergeht: camión [ka’miõ]. Oft erfolgt auch eine Labialisie-rung: pan [pam] (vgl. Granda 1982a: 173f).

Besonders auffallend im paraguayischen Spanisch ist die Exis-tenz eines Glottisschlags, insbesondere zwischen dem Konso-nant am Wortende und dem Vokal im folgenden Anfang, aber auch bei Hiaten, z.B. alcohol [alko’ʔol]. Es ist sehr wahrschein-lich, dass der Gebrauch des Glottisschlags im EPC aus dem Einfluss des Guaraní resultiert, da dessen lexikalische und morphologische Einheiten für gewöhnlich durch einen stimm-losen glottalen Plosiv getrennt werden, wenn die zweite Einheit mit einem Vokal beginnt. Hinzu kommt, dass der Glottisschlag in keiner anderen Varietät des Spanischen vorzufinden ist (vgl. Krivoshein de Canese / Corvalán 1987: 23f).

Hinsichtlich der Intonation stieß Malmberg (1947:16-18) auf eine Besonderheit: Bei den Diphthongen aú, aí, oí, eí, aé und aó tritt keine Verlagerung der Betonung auf, z.B. páis, óido, léido für país, oído, leído. Genau wie beim Lleísmo, lei-tet Malmberg dieses Phänomen vom „carácter culto“ des paraguayischen Spanisch ab:

Es evidente que, en todos los países de habla español, la disloca-ción del acento en los casos mencionados tiene carácter popular. Y me parece muy natural que justamente los rasgos más popula-res, o vulgares, no hayan sido nunca adoptados en el Paraguay, por el simple hecho de que falta en este país un español com-pletamente popular (Malmberg 1947:17f).

Morphosyntax

Wie in den meisten lateinamerikanischen Varietäten, gibt es auch in Paraguay den Voseo. In diesem Fall findet der prono-minal-verbale Voseo Anwendung. Das bedeutet, dass das stan-dardkastilische tú in der singularischen Anrede durch vos er-setzt wird und in der zweiten Person außerdem eine abweichen-de Verbform benutzt wird, z.B. vos tenés statt tu tienes (vgl. Lipski 1994:310). Nach Fasoli-Wörmann (2002:53) wird der Voseo in Paraguay schriftlich jedoch als störend empfunden und so findet sich in paraguayischen Schulbüchern meist eher die kastilische Norm als die lokale Eigenart.

Ein ebenfalls unter den spanischen Varietäten weit verbrei-tetes Phänomen lässt sich in Paraguay vorfinden: der Leísmo, die Ersetzung der Klitika lo und la durch le, wenn man sich damit auf Personen bezieht. Laut Granda (1982b:266-268) un-terscheidet er sich allerdings vom europäischen Leísmo, da er in Paraguay nicht nur bei Personen, sondern auch bei Dingen verwendet wird, egal ob Singular oder Plural und egal ob femi-nin oder maskulin. Sowohl das direkte als auch das indirekte Objekt werden immer durch das Morphem le ersetzt, unabhän-gig von Genus, Numerus oder semantischer Charakteristik des Substantives. Diese Form des Leísmo lässt sich allerdings vor-wiegend im EPC beobachten, im EPE tritt der Leísmo zwar auch auf, jedoch nur im Singular bei Personen. Eine mögliche Erklärung für diesen radikalen Leísmo im EPC stellt Granda (1982b:267-282) auch vor. Er stellt die Hypothese einer even-tuellen Interferenz aus dem Guaraní auf. Parallel zu le gibt es hier auch nur ein Pronomen für das direkte und indirekte Ob-jekt, ichupe (Singular) und ichupekuéra (Plural).

Allerdings lässt sich damit nicht erklären, weshalb beispielsweise in Ecua-dor der gleiche Leísmo wie in Paraguay auftritt, obwohl das Spanische dort keinen Kontakt zu Guaraní hat. In Wahrheit existieren wahrscheinlich mehrere verschiedene Gründe für den paraguayischen Leísmo, darunter unter anderem die phoneti-sche Tendenz zum Ausfall des finalen /s/, sodass les zu le wird.

Was die syntaktischen Besonderheiten des paraguayischen Spanisch betrifft, so fallen vor allem Lehnübersetzungen (span: calcos) aus dem Guaraní auf, die überwiegend von bilingualen Sprechern verwendet werden. Dazu gehört beispielsweise die im Standardspanisch unzulässige Kombination von Possessiv- und Indefinitpronomina wie un mi amigo oder otro mi hermano (vgl. Lipski 1994: 312). Außerdem wird häufig das Indefinitpronomen todo (ya) verwendet, um eine (kürzliche) Abgeschlossenheit der Handlung zu signalisieren:

(1) Ya trabajé todo ya für ya terminé de trabajar
(2) La comida se enfrió todo für la comida acabó por enfriarse

In Verbindung mit dem Imperativ tritt überdies oft die Wen-dung un poco auf. Sie ersetzt das Suffix –mi des Guaraní, das abhängig vom Kontext Höflichkeit, Bitten, Vertraulichkeit oder Mitleid ausdrücken kann: (vgl. Granda 1979:274).

(1) Acá vengo un poco para hablar con vos. (Höflichkeit)
(2) Préstame un poco esa revista. (Bitte)
(3) Me aplazaron en la prueba. No sé que voy a hacer un poco. (Mitleid)

Darüber hinaus lässt sich gelegentlich das Verschwinden der Kopula ser beobachten, so heißt es z.B. ¿Qué lo que te trae tan tarde a casa? statt ¿Qué es lo que te trae tan tarde a casa?’ (vgl. Granda 1979: 273-277).

Lexik

Das Lexikon des Spanischen in Paraguay entspricht weitestge-hend dem des gesamten Südkegels, insbesondere dem der Rio-de-la-Plata-Region (vgl. Lispki 1994:313). Jedoch gibt es auch charakteristische Merkmale, die exklusiv in Paraguay vorzufinden sind. Besonders erwähnenswert sind hierbei die Entleh-nungen aus dem Guaraní, wie beispielsweise mita’i an Stelle von niño oder tajachí im Austausch für agente de policia (vgl. Krivoshein de Canese /Corvalán 1987:77). Die meisten Lehnwörter entstammen aber dem Bereich der Flora und Fauna, z.B. mandioca (Maniok) oder yacaré (Krokodil) (vgl. Fasoli-Wörmann 2002:52). Eine weitere Eigenart sind Archaismen, z.B. letrado für inteligente oder disparar für correr (vgl. Krivoshein de Canese /Corvalán 1987:81). Bezüglich der Wörter aus dem Guaraní ist es allerdings fragwürdig, ob diese nur als Lehnwörter oder bereits als Teil des unter bilingualen Paraguayern allgegenwärtigen Code-Switchings angesehen werden.

Literatur

  • Born, Joachim (2012): “Varietäten des Spanischen: Rio de la Plata (Paraguay)“, in: Born Joachim et al. (Hrsg.) Handbuch Spanisch. Sprache, Literatur, Kultur, Geschichte in Spanien und Hispanoamerika, Berlin: Erich Schmidt, 83-89.
  • Cassano, P. (1972): “The Alveolarization of the /n/, /t/, /d/ and /rt/ in the Spanish of Paraguay”, in: Linguistics 10 (93), 22-26.
  • Fasoli-Wörmann, Daniela (2002): Sprachkontakt und Sprachkonflikt in Paraguay. Mythos und Realität der Bilinguismussituation, Frankfurt am Main: Lang (Studien zur allgemeinen und ro-manischen Sprachwissenschaft, 8).
  • Granda, Germán de (1979): “Calcos sintácticos del guaraní en el es-pañol del Paraguay”, in: Nueva Revista de Filologia Hispani-ca 28, 267-286.
  • Granda, Germán de (1982a): “Observaciones sobre la fonética del español en el Paraguay”, in: Anuario de Letras (20), 145-194.
  • Granda, Germán de (1982b): “Origen y formación del leísmo en el español del Paraguay. Ensayo de un método”, in: Revista de Filología Española 62 (3/4), 259–283.
  • Krivoshein de Canese, Natalia / Corvalán, Graziella (1987): El español del Paraguay. En contacto con el guaraní, Asuncíon: Centro Paraguayo de Estudios Sociológicos.
  • Lipski, John M. (1994): Latin American Spanish, London / New York: Longman.
  • Malmberg, Bertil (1947): Notas sobre la fonética del español en el Paraguay, Lund: Gleerup.